Zum besseren Verständnis der folgenden Zeilen, müssen wir uns zurückversetzen in die Nachkriegszeit. Im Osten Deutschlands wurde der Aufbau eines neuen Staates, der DDR, verkündet. Es fehlte an Allem, sowohl in den Haushalten als auch in der Wirtschaft. Alle Bemühungen und Initiativen zur Privatisierung waren zum Scheitern verurteilt. Die Gemeinschaft allein zählte und der Beitrag des Einzelnen für das Allgemeinwohl. Die Umerziehung, Neuorientierung und Mobilisierung eines Volkes, das war die Aufgabe des neuen Staates. Er musste sich aller Mittel in Wirtschaft, Politik und Kultur zur Einflussnahme bedienen. Volkschöre und Volkstanzgruppen entstanden in großer Zahl und erhielten auch die erforderliche Unterstützung von staatlicher Seite. Es ist nahe liegend, für derartige Kulturprogramme mit relativ wenig Aufwand Freilichtbühnen zu schaffen und zu nutzen. So ist auch der Bau unserer Freilichtbühne am Rande der Anlagen (Stadtpark) zu verstehen, die ebenfalls ein Stück Geschichte jüngeren Datums darstellt.
Angelehnt an dem sich erhebenden Anhydritberges unterhalb der Georgshöhe und abgeschlossen durch den Busch- und Baumbestand der Anlagen, entstand eine ebene Fläche von 1320 m2 als Freilichtbühne. Ein idyllisches Plätzchen am Nordrand unserer Stadt.
Abb. 1
Ausschnitt aus einem aktuellen Stadtplan mit eingezeichneter ehemaliger Freilichtbühne (violette Darstellung)
Wenn der ehemalige Springbrunnen an der Grotte vor dem Rennau’schen Erdfall am Eingang des Wüsten Kalktals nach dem Krieg wiedererstanden wäre, hätte man von einem gelungenen Ensemble sprechen können.
Auf gleichem Terrain befand sich bereits vor dem 2. Weltkrieg ein Naturtheater in kleinerer Form. Für diesen Bereich wurde östlich der Grotte unmittelbar an dem Weg zum Wüsten Kalktal eine Abortanlage entlang des Weges geschaffen und im August 1931 abgenommen und zur Nutzung übergeben. /1/ Dieselbe wurde jedoch nach dem Krieg nicht mehr benutzt.
Im Rahmen des Nationalen Aufbauwerkes (NAW), d.h. durch freiwillige, unbezahlte Arbeitseinsätze der Betriebe, Verwaltungen und Organisationen wurden 4590 Stunden geleistet. Außerdem trugen Geldspenden in Höhe von 3688 DM mit zum Gelingen des Bauvorhabens bei. Die Bühnenfläche von 160 m2 mit vorgelagertem Orchesterraum von 45 m2 boten gute Voraussetzungen. Der Zugang zur Freilichtbühne war von dem verlängerten Weg des Wüsten Kalktals über eine breite Freitreppe angelegt. Rechts und links der Treppe waren etwa 1,60 m hohe Kunststein-Stelen aufgestellt, die den Eingangsbereich abrundeten. Die Zuschauerfläche war für 2000 Personen ausgelegt. Sitzkombinationen aus Betonsteinen mit aufgeschraubten Sitzflächen (59 Stück) sowie Parkbänke waren die Sitzgelegenheiten für die Besucher. Am 30. Mai 1954 16 Uhr fand die Eröffnungsfeier der Freilichtbühne zu Bad Frankenhausen statt. /2/
Abb. 2 bis 5
Schulchöre und Orchester unter der Gesamtleitung des Musiklehrers Kurt Galle. Volkstanzgruppe während des Auftrittes /3/
Nördlich, d.h. seitlich der Bühne entstand ein gesondertes Bauwerk zum Umkleiden der Darsteller und Künstler sowie zur Aufnahme einer WC-Anlage mit 3 Becken und Pissoiren, installiert durch den hiesigen Klempnermeister Kurt Wenk. Erst 1956 übernahm die Firma des Elektroingenieurs Hugo Knorr die Elektroinstallation mit einer umfangreichen Verkabelung von Bühne und Musikerraum sowie Festanschlüsse für Scheinwerfer, Notbeleuchtung, Beschallungsanlage usw.
Nicht nur die Volkstanzgruppen und Chöre der Grund- und Oberschule sowie der Pädagogischen Schule für Kindergärtnerinnen (Frankenburg) traten wiederholt in den Folgejahren auf, sondern auch Filmabende, Konzerte, Theater- und Unterhaltungsabende gehörten zum Programm auf der Freilichtbühne. Angenehme Erinnerungen sind mit derartigen Veranstaltungen in einer herrlichen Naturatmosphäre verbunden.
Die umgebenden Laubbäume haben im Herbst und im Frühjahr für die notwendigen Reinigungsarbeiten gesorgt. Aus Planungsunterlagen des Jahres 1958 ist zu entnehmen, dass bei damaligen Preisen mit 200 DM Einnahmen zu rechnen war. Die Ausgaben jedoch über das 10fache betrugen. Die Reparaturen und Werterhaltungen waren bedingt durch Kinder und Jugendliche in einem immer größer werdenden Umfang erforderlich. So stellte 1964 der Park- und Anlagenwächter Böttcher 11jährige Kinder beim Zerschlagen von Dachziegeln. Daraufhin erfolgte 1965 eine Blecheindeckung des Mehrzweckgebäudes.
Im Frühjahr 1966 begann man mit dem Ausgraben der Bänke und füllte den Besucherraum mit Schutt und Schlacke auf, um ein Gefälle im Zuschauerbereich zu schaffen. Noch im Sommer des Jahres 1966 ist ein Zaun zur Sicherung des Geländes gesetzt wurden. Im gleichen Jahr wurden Teile der Verstärkeranlage entwendet. Im Sommer 1967 sollte die Wiedereröffnung der Freilichtbühne stattfinden. Ohne Einzelheiten zu wissen, wurde im Mai 1967 die elektrische Anlage der Freilichtbühne vom Netz genommen. Die abgesenkte Orchesterfläche verfüllt, Bänke und Treppen entfernt und die Gesamtfläche zu einem Spielplatz umfunktioniert.
Parallel zu diesen Arbeiten lässt die Stadt ein geologisches Gutachten für den Standort einer neuen Freilichtbühne erstellen. Am 7.06.1968 fand am Sportplatz an der Wipper eine Beratung vor Ort statt, um den Bau einer neuen Freilichtbühne anzuschieben und zu forcieren. Nordwestlich des Spielfeldes, jedoch südlich der Kleinen Wipper, sollte für etwa 1000 Besucher eine neue Freilichtbühne entstehen.
Abb. 6
Projekt der neuen Freilichtbühne am Sportplatz an der Wipper /4/
Gemäß dem vorliegenden Projekt war die Einbeziehung der vorhandenen Gebäude geplant. Planierungsarbeiten waren abgeschlossen und für das Jahr 1969 die Sitzgelegenheiten und Treppenstufen zur Lieferung vorgesehen. Selbst die Beleuchtungs- und Beschallungsanlage waren im Haushaltsplan abgesichert. Nach einem Beratungsprotokoll vom 5.02.1969 lagen die Betonstützen und Sitzbankteile zum Einbau bereit. Vom September 1969 liegen die letzten Stundenerfassungen vor. /5/ Plötzlich und heute nicht mehr nachvollziehbar wurden die Aktivitäten an der neuen Freilichtbühne für immer eingestellt.
Aus heutiger Sicht unter Berücksichtigung des hohen Verkehrsaufkommen muss man einschätzen, dass sich der Standort einer Freilichtbühne weder an der Kyffhäuser Straße noch an der nahe gelegenen Rottleber Straße bewährt hätte. Mit diesem Beitrag sollen Erinnerungen aus der nahen Vergangenheit unserer Stadt geweckt und zugleich ein Stück Heimatgeschichte vermittelt werden.
Eckhard Pförtner Juli 2007
Quellennachweis
/1/ Thüringisches Kreisamt Sondershausen, Unterbehörde des Ministeriums des Inneren,
unter 987 Band XII im Thüringischen Staatsarchiv Gotha, April 2004
/2/ Schriftverkehr zur Freilichtbühne 1954 – 67, Stadtarchiv Bad Frankenhausen, 1-VIa - 166
/3/ Bilder von der Eröffnungsfeier 1954, Stadtarchiv Bad Frankenhausen, Fo – Vku 14, 15, 18, 25
/4/ Projekt der Freilichtbühne an der Wipper 1968, Stadtarchiv Bad Frankenhausen, 1 – VIII - 534
/5/ Schriftverkehr zur Freilichtbühne 1954 – 67, Stadtarchiv Bad Frankenhausen, Dok - 9
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