Hoch- und Tiefbau Carl Reichenbach
Als drittes Kind in der Familie des Revierförsters Johann Friedrich Reichenbach wurde Carl am 14.09.1852 in Weischütz an der Unstrut geboren. Sechs Jahre später zog die Familie in das nahe gelegene Balgstädt am gegenüberliegendem Ufer der Unstrut und übernahm dort den Gasthof zur Rose. Nach der Konfirmation ging Carl in die Lehre zu seinem Onkel Rudloff nach Halle, um das Zimmermannshandwerk zu erlernen. Der sehr wohlhabende Onkel, dessen zwei Töchter bereits mit 18 Jahren verstarben, hatte großes Interesse an der Ausbildung seines Neffen. Rudloff schenkte später sein Vermögen der Stadt Halle, u.a. auch die Grundstücke, auf welchen heute die Franckschen Stiftungen stehen.
Nach abgeschlossener Lehre ging der junge Carl Reichenbach auf Wanderschaft u.a. nach Köln, wo er bei Voigtel (Ernst Friedrich Zwirners Nachfolger) am Dombau beschäftigt war.
Seit 1870 übernahm er als Freiwilliger den Wachdienst gegenüber Gefangenen, wurde 1873 Rekrut des Westfälischen Pionier - Bataillons Nr. 7 in Deutz und nach drei Jahren als Unteroffizier entlassen.
Am 1.01.1877 begann er im Baugeschäft Becker und Schulze in Naumburg und war für die Steinmetzarbeiten beim Brückenbau und die Zulieferung aus den Steinbrüchen verantwortlich. Mit 26 Jahren übernahm er den Bau des Oberlandesgerichts in Jena und danach eines Unstrut-Hafens sowie der Kohlenbahn vom Schacht St. Bartholomäus bei Edersleben nach Artern.
Schließlich meldete Carl Reichenbach am 14.02.1881 sein Gewerbe als Maurer- und Zimmermeister in Frankenhausen an. Während der Bautätigkeit in Jena lernte er Amalie Minna geborene Heinicke kennen, die er auch im Oktober 1881 in Jena heiratete. Die erste Mietwohnung für das junge Ehepaar nahm er sich in Frankenhausen beim Bäckermeister Barschleben in der Ratstraße 97 (heute Ratstraße 10). Schon 1887 kaufte er das Stammhaus in der Langestraße 150 (heute Poststraße 19) vom Böttchermeister Karl Friedrich Albert Zinke und stockte dasselbe auf. Der zum Haus gehörige Hof reichte bis zur Bornstraße und war so als Geschäftshaus gut geeignet. Aus dem Nachlass ist ersichtlich, dass das Haus 1851 vom Kämmerer Johann Heinrich David Börner an den Ökonom und Gastwirt Julius Anton Schaffrott verkauft wurde. Mit dem Kauf war auch aus früherer Zeit die Konzession zum Betreiben eines Gasthofes verbunden.
Bis 1887 entstehen durch die Tätigkeit des Baugeschäftes C. Reichenbach das
- Wohnhaus des Lehrers Werner,
- Teilleistungen an der Zuckerfabrik Oldisleben, seit 1989 Technisches Denkmal,
- Saalanbau am Thüringer Hof, Inhaber Hotelier Constantin Apel, Nappe, 1886,
- Saalanbau am Bellevue, Wippermannstraße,
- Villa des Rentners Friedrich Große, Wippermannstraße, 1887,
- Wohn- und Geschäftshaus des Kaufmanns Hermann Schumann, Bachweg 106 d, Anbau des Seitengebäudes 1902
Abb. 1 und 2
Zuckerfabrik Oldisleben aus Muschelkalk, rotem Sandstein und Klinkern 1872 gebaut. Von der Dachkonstruktion abgehängte Dachböden, die gusseisernen Stützen, die Dampfmaschinen und die erhaltene Technologie sind in dem Industriedenkmal zu besichtigen. (2007)
Das einstmals älteste Hotel unserer Stadt erhielt 1886 einen Saal und weitere Zimmer, die in Richtung Osten zur Nappe angebaut wurden. Die im Erdgeschoß liegenden Fenster waren bereits zugemauert. Der Abriß erfolgte 1987. (1984)
Abb. 3 und 4
Die ehemalige Villa Große in der Wippermannstraße (Goethestraße), ein Klinkerbau aus dem Jahre 1887, dessen Fassade mit hellem Sandstein aufgelockert wurde. Dank einer umsichtigen Sanierung ist das Gebäude im alten Zustand erhalten geblieben. (2007)
Geschäftshaus des Hermann Schumann am Bachweg entstand vor der Jahrhundertwende. (2007)
Abb. 5
Das Postgebäude wurde 1887 zum Bau genehmigt. Auf einer Gebäudegrundfläche von 13 x 21 m2 waren im Kellergeschoß, zwei Obergeschossen und einem halben Dachgeschoß das Post- und Telegrafenamt untergebracht. Die Remisen und Pferdeställe waren im Posthof in separaten Bauten. Eine neue Schalterhalle entstand nach dem Verkauf 1919 als Flachbau in nördlicher Richtung. (2003)
In den Folgejahren werden Grundstücke angekauft, um 1889 die Post in Frankenhausen zu errichten. Das Gebäude war Eigentum von Carl Reichenbach, der erst am 29.03.1917 dasselbe an die Kaiserliche Post verkaufte.
Im November 1890 erhielt das Baugeschäft Reichenbach vom Kriegerbund den Auftrag zum Bau des Kyffhäuser-Denkmals. Der Entwurf und auch die Bauleitung übernahm der bekannte Architekt Bruno Schmitz. Bereits am 10.05.1892 erfolgte die feierliche Grundsteinlegung des Turmes. In den Jahren 1892 – 93 musste Reichenbach wegen eines Herzleidens stationär behandelt werden. Mit der Fortführung der Arbeiten wurde das Sangerhäuser Baugeschäft Thate vorübergehend beauftragt. Nach seiner Genesung übernahm Reichenbach erneut die Bauausführung. Für die Bauarbeiten in einer hohen Qualität sowie die Einhaltung des Zeitplanes waren maßgeblich Reichenbachs Poliere namens William Rothe, Aschenbach, Hildebrandt, Fritz Barthel, Theodor Barthel, Franz Krause und Franz Bracke mit beteiligt.
Der Arkosesandstein aus dem Steinbruch am Fuße des Burgberges fand für die Außenhaut seine Verwendung. Die innen liegende Wendeltreppe wurde aus Holzmindener Wesersandstein (Buntsandstein) vorgefertigt und geliefert. Auch die Krone des Denkmals besteht aus gut zu bearbeitenden Wesersandstein. Die oberste, der Witterung ausgesetzte Plattform erhielt einen Belag aus Harzer Granit aus Wernigerode (Angaben aus dem Nachlass der Firma c. Reichenbach). Seit 2007 aus Werterhaltungsgründen mit einer Betonschicht überzogen und somit nicht mehr sichtbar. Für Nebengebäude und Anlagen kam auch der mit einer gleichmäßigen, körnigen Struktur versehene Karbon-Sandstein aus dem Steinbruch der Firma C. Reichenbach bei Steinthaleben zum Einsatz.
Am 18.06.1896 konnte das Denkmal im Beisein Kaiser Wilhelm II., ein Enkel Wilhelm I., eingeweiht werden. Im Folgejahr waren noch umfangreiche Restleistungen zu erbringen.
Für seine Verdienste erhielt Carl Reichenbach sowohl
Den königlichen Kronen-Orden,
als auch vom Fürsten von Schwarzburg-Rudolstadt
Das Ehrenkreuz des Fürsten sowie später
Den Roten Adlerorden.
Abb. 6 und 7
Baugeschäftsinhaber Carl Reichenbach etwa 1897 /1/
Gesamtanlage des 81 m hohem Kyffhäuser-Denkmals, das 1896 eingeweiht werden konnte. Im Vordergrund ein Teil des früheren Steinbruches. (etwa 1995) /2/
Vom Kriegerbund wurde er als Betreuer der gesamten Denkmalanlage in Wertschätzung seiner Arbeit eingesetzt.
Das so bekannte und große Bauunternehmen C. Reichenbach wurde von den vorhandenen Baubestand in der Langestraße oder später Poststraße geleitet. Erst 1899 baute der Firmenbesitzer auf eigenem Terrain einen massiven Lagerschuppen sowie Büroräume aus, die 1911 mit einer Heizungsanlage ausgestattet wurden. Einfache und bescheidene Verhältnisse waren gut genug für ihn.
Aus den Archivunterlagen geht hervor, dass sich Reichenbach mit dem maschinellen Tunnelvortrieb intensiv beschäftigt hat und auch als Spezialbauleistung angeboten hat.
Abb. 8
Briefbogenkopf des Hoch- und Tiefbaugeschäftes Reichenbach im Jahre 1905 /3/
Von den gesammelten Erfahrungen beim Bau des 160 m langen Eingangsstollen zur Barbarossahöhle (1898), des 1400 m langen Trinkwasserstollen im Bärental (1901) sowie auch im schlesischen Waldenburg (heute Walbrzych) ausgehend, strebte er nach einer Weiterentwicklung seines Unternehmens.
Nicht nur beim Bau des Gebäudes der Frankonia Automobilwerke GmbH war er federführend beteiligt, sondern war auch 2. Vorsitzender im Aufsichtsrat des Unternehmens.
Im Januar 1914 entschlief seine Ehefrau, die ihm stets zur Seite stand und ihm vier Mädchen und drei Jungen geboren hatte. Während die Söhne ihren Kriegsdienst ableisteten, verstarb am 5.07.1918 Carl Reichenbach nach langer, schwerer Krankheit in Frankenhausen.
Er war ein korrekter, geradliniger Baufachmann, dessen Entwürfe stets in der Kombination von rotem Sandstein, Holz und Klinkern verwirklicht wurden. Auflockernde, einfache Elemente am Bau geben der Fassade die persönliche Note und sind typisch für die Vielzahl der geschaffenen Gebäude. Offensichtlich wurde auch nur Baumaterial von hoher Qualität eingesetzt. Es ist heute kaum noch nachvollziehbar, welche Entwürfe er selbst gezeichnet oder in Auftrag gegeben hat. Seine persönlich gefertigten Zeichnungen waren exakt und aussagekräftig für jene Zeit.
Im Nachgang sollen einige der Gebäude aufgezählt werden, die unter der Leitung von Carl Reichenbach gebaut und zum überwiegenden Teil auch entworfen wurden. Die hohe Zahl der vollendeten Bauten und ihr attraktives Äußeres sprechen für sich.
Abb. 9 und 10
Der gegliederte Gesamtbau wurde von Wilhelm Schall zur Betreuung und Erziehung gescheiterter und verwahrloster Kinder gestiftet und als Wilhelmstift am 7.01.1896 nach vierzehnmonatiger Bauzeit eingeweiht. Mehrmals umgestaltet, auch zweckentfremdend als Munitionsfabrik genutzt und von einem Brand stark beschädigt, dient es seit 1946 wieder der Betreuung von Kindern und Jugendlichen. (etwa 1900) / 4/
Die erste Turnhalle unserer Stadt mit dahinter liegendem Sportplatz konnte am 4.04.1912 für den Turnverein 1856 fertig gestellt werden. Sie diente über 60 Jahre den Schul-, Freizeit- und Massensport. (etwa 1920) /5/
Abb. 11 und 12
Amtsrichter Wissmann lässt 1898 die Villa am Wallgraben (heute Nr. 34) errichten und elf Jahre später eine Erweiterung in Richtung Süden anbauen. Der seitliche Eingang wurde mittig zur Straße verlegt. (2004)
Der Landrat Dr. Thiemer lässt etwa 1890 das Haus und 1911 einen Anbau in westlicher Richtung in der Rottleber Straße erbauen. (2003)
Abb. 13 und 14
Der Neubau der Kinderbewahranstalt in der Schlossstraße konnte nach einjähriger Bauzeit am 7.09.1905 übergeben werden. Das Gebäude dient bereits über 100 Jahren dem guten Zweck der Unterbringung und Erziehung von Vorschulkindern. (2004)
Schloss Hoheneck im Auftrag der Familie Schall errichtet, vom Architekt Hermann Muthesius entworfen und gestaltet sowie von der Reichenbach’schen Baufirma 1910 – 12 verwirklicht. /2/
Abb. 15 und 16
Eingangsbauwerk mit Belüftungsschacht des 2000 m langen Trinkwasserstollens im Bärental. Im Bereich der ersten 800 m wurden die Zechsteinablagerungen durchfahren, was eine vollständige Ausmauerung des Stollens erforderlich machte. Auf der gesamten Länge sind zwei Stautore im Gestein eingelassen, die eine Speicherkapazität von 9000 m3 ermöglichen. (2003)
Ein weiterer Trinkwasserspeicher entstand in der Blutrinne, sodass Frankenhausen nach fünfjähriger Bauzeit seit 1901 über ein stabiles Trinkwassernetz verfügt. (2003)
Abb. 17 und 18
Der einst von der Familie Schall in Auftrag gegebene und finanzierte Villenbau an der Wipper und die westliche Erweiterung im Jahre 1894, wurde später ein Teil der von Schall 1876 gegründeten und geförderten Kinderheilanstalt. (2003)
Seit der Eröffnung des Kyffhäuser – Technikums im Jahre 1896 mussten auch bautechnische Voraussetzungen für die sich schnell entwickelnde Bildungseinrichtung geschaffen werden. So auch 1900 – 02 das Hauptgebäude in unmittelbarer Nachbarschaft der Unterkirche. (2003)
Abb. 19 und 20
Die städtische Friedhofskapelle von W. Schall einst gestiftet und 1905 gebaut. (2004)
Das Pumpenhaus des Schlosses Hoheneck wurde ebenfalls von Muthesius entworfen und durch die Baufirma Reichenbach realisiert. Die Abführung des Oberflächenwassers, die zwei Grabenbrücken sowie die Querung der Kyffhäuser-Straße wurde durch Reichenbach entworfen und verwirklicht. (2007)
Abb. 21 und 22
Entwurf des Gartenhauses für W. Schall an der Carolus, wo es im Jahre 1900 auch errichtet wurde. /6/
Zeichnung des Gartenhauses für C. Reichenbach, das 1898 nordöstlich der Oberkirche gebaut wurde. /7/
Das Baugeschäft führte der älteste Sohn Carl Heinrich (geb. am 22.08.1885) weiter. Dazu wurden 1912 und auch schon früher Voraussetzungen auf einem Grundstück zwischen Langestraße und dem Bahnhof geschaffen. Nach Beendigung des Krieges entstanden unter der Leitung von Carl Heinrich Reichenbach u.a. der Krankenhausanbau (1920) und die Neugestaltung der Raumaufteilung im Eingangsbauwerk von Schloß Hoheneck (1925). Ein Projekt für ein Bürogebäude am Bahnhof mit der weitergeführten Firmierung des Vaters aus dem Jahre 1925 wurde nicht verwirklicht. Etwa 1928 siedelte Heinrich Reichenbach nach Hamburg um, was zur Auflösung der einst so bedeutsamen Baufirma Carl Reichenbach führte.
Der am 9.10.1892 geborene zweite Sohn Johannes erhielt eine Ausbildung als Bildhauer in Berlin und übernahm nach dem Kriegsdienst das Vaterhaus in der Poststraße. Das bis zum Zweiten Weltkrieg geleitete Steinmetzgeschäft in der Poststraße musste schließlich von seiner Frau weitergeführt werden, da er bereits mit 46 Jahren verstarb. Der Sohn Karl Heinrich Reichenbach hatte seine Ausbildung zu diesem Zeitpunkt noch nicht begonnen. Nach dem Krieg stellte die Witwe den Steinmetzmeister Gerhard Bringezu aus Hauterode ein. Doch bereits 1951 kaufte Bringezu das Grundstück der Baufirma Robert Kirchner in der Bahnhofstraße, gründete eine eigene Firma und baute später darauf das heute noch vorhandene Wohnhaus. Dem Trend der Entwicklung folgend, wurde 1958 die PGH Bildhauer und Steinmetz mit den Betrieben in Bad Frankenhausen, Artern, Allstedt und Blankenheim gegründet.
Die Umstände führten zur Schließung des Geschäftes in der Poststraße und die alleinige Nutzung des Hausgrundstückes für Wohnzwecke.
Abschließend möchte ich Herrn Karl Heinrich Reichenbach für seine Unterstützung beim Zusammentragen und für die Bereitstellung der angegebenen Fakten zur Familiengeschichte recht herzlich danken.
Eckhard Pförtner September 2007
Quellennachweis
/1/ Schriftgut und Angaben des Herrn Karl Heinrich Reichenbach
/2/ Postkarten, Foto Görtz
/3/ Stadtarchiv Bad Frankenhausen, Bauakten des Fürstlich Schwarzburgischen
Landratsamtes Frankenhausen, 1/ VIII – 55, 1909
/4/ Wilhelmstift, Evangelische Kinder- und Jugendhilfe, Archiv des Stiftes, Druck-Schnell-
Service Bad Frankenhausen, 1996
/5/ Bad Frankenhausen in Bildern aus alten Zeiten, Geiger-Verlag, Horb am Neckar, 1994
/6/ Bauakten des Fürstlich Schwarzburgischen Landratsamtes Frankenhausen, Stadtarchiv
Bad Frankenhausen, 1/ VIII – 40
/7/ Bauakten des Fürstlich Schwarzburgischen Landratsamtes Frankenhausen, Stadtarchiv
Bad Frankenhausen, 1/ VIII – 38
Bau Mimas
Die dominierende Rolle der Baufirma C. Reichenbach dauerte zu Lebzeiten des Begründers uneingeschränkt an. Obwohl der Bauboom durch die sich abzeichnenden Kriegsvorbereitungen nachließ, etablierten sich eine Anzahl von Baufirmen in Frankenhausen. Noch vor Beginn des 1. Weltkrieges meldete auch der Sohn Heinrich Reichenbach im Januar 1914 sein Gewerbe in Form eines Architekturbüros an.
Neben Neu- und Umbauarbeiten waren Reparaturen und Schornsteinsanierungen erforderlich. Anhand der registrierten Bauanträge muss man schlussfolgern, dass in den letzten zwei Jahrzehnten vor der Jahrhundertwende alle Holzschornsteine durch den Bau von massiven Rauchabzügen ersetzt wurden. Insbesondere waren die oberen Etagen in früherer Zeit mit Holzröhren ausgestattet und somit ein Brandrisiko.
Zu den bekanntesten Maurermeistern und Baugeschäften gehörten bereits vor der Jahrhundertwende
Wilhelm Schünzel
Franz Rose, Jungfernstieg 32
Louis Henning, An der Wipper 101a
Albert Hundt, Bahnhofstraße 53k
Adolf Förderer, Klosterstraße 121
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts entstanden weitere Baugeschäfte, wie
Gustav Aschenbach, Seehäuser Straße 72a
Carl Karnstedt, Langestraße 141
Franz Sengelaub, Bleiche 28a
Robert Kirchner, Bahnhofstraße
Albert Wallrodt, Breitestraße 64b
J. Landgraf & Sohn, Abt. Baugeschäft & Dampfsägewerk, Bachweg 125
Förderer & Weinreich
Wallrodt & Böhme
Mimas GmbH
Die kleinen Maurergeschäfte waren keineswegs unbedeutend, jedoch aufgrund der Vielzahl waren die vorhandenen Aufträge begehrt und gefragt. Der Zusammenschluss von Wettbewerbern lässt die Schlussfolgerung eines umkämpften Baumarktes zu.
Im Detail soll an dieser Stelle nur auf die Mimas GmbH als Kurzbezeichnung für Mitteldeutsche Massiv Sparbau Gesellschaft m.b.H. eingegangen werden. Am 21.04.1921 erfolgte die Gewerbeanmeldung als technisches Büro zur Bauausführung und dem Handel mit Baumaterialien. Geschäftsführer und Gesellschafter war zum Gründungszeitpunkt der 33 jährige Rudolf Schünzel, der jedoch nach einem erfolgreichen Beginn des Unternehmens am 25.08.1922 verstarb.
Abb. 1 Briefkopf der Mimas GmbH
Die Geschäftsführung übernahm Karl Boettger. Die schwere Zeit der Inflation musste auch die junge Baugesellschaft mit durchleben und brachte ebenfalls Wertscheine anstelle des nicht vorhandenen Geldes in Umlauf. /1/
Das Büro der Mimas GmbH befand sich westlich neben der Firma Reichenbach am Bahnhof. (Die Bausubstanz ist als Nebengelaß des Wohnhauses Am Bahnhof 8 bis heute erhalten geblieben) Für eine Erweiterung auf Nachbargrundstücke waren keine Voraussetzungen gegeben. So ist es verständlich, dass 1925 nach Abklingen der Inflation südwestlich der Stadt zwischen Mühlgraben und der Bahnlinie ein Gatterschuppen errichtet wurde. Derselbe diente vornehmlich der Materiallagerung. /2/
Seit der Jahrhundertwende arbeitete der Architekt Walter Landgraf, der zur Familie des Mühlenbaubetriebes J. Landgraf & Sohn am Bachweg gehörte, selbständig. In diesen Jahren war durch die Technisierung ein spürbarer Rückgang der Wasserräder und ähnlicher Holzausrüstungen zu verzeichnen. Die Mühlenbauanstalt und Maschinenfabrik J. Landgraf & Sohn reagierte darauf mit der Gründung einer Betriebsabteilung Baugeschäft und Dampfsägewerk. Nur so konnten die ausbleibenden Holzaufträge im Mühlenbau kompensiert werden.
In den Jahren nach 1931 wurde W. Landgraf Geschäftsführer der Mimas GmbH und der Bachweg 125 zum Sitz des Unternehmens. Schließlich waren auch hier die Voraussetzungen für einen Holzverarbeitungsbetrieb vorhanden.
Die Mimas errichtete mit dem Ilmenauer Architekten A. Pabst 1922 die Einfamilienhäuser in der Jahnstraße 22 und 24 sowie in der Heimstättenstraße 1-11. /3/
Abb. 2 Reihenhäuser in der Heimstättenstraße (2008)
Diesen folgten noch im gleichen Jahr die Reihenhäuser zur Bebauung des Schweinemarktes, Seehäuser Straße 14 – 20 und der Andreasstraße 1 – 7 sowie 9 – 15. Die Reihenhäuser mit je vier Wohnungseinheiten besitzen ein Grundraster von 4,30 m x 7,40 m. Im Kellergeschoß sind Waschküche und Kellerraum, im Erdgeschoß sind Wohnküche und Wohnzimmer sowie im ausgebautem Dachgeschoß zwei Schlafzimmer untergebracht. /4/ Zur optimalen Nutzung des Dachraumes, war die Gaube nahezu über die gesamte Hausbreite ausgebildet. Ein separater Schuppen im Hof gehörte zu jeder Wohnung. Vom gleichen Typ entstanden drei derartige Reihenhäuser. Heute ist von dem soliden Reihenhaustyp als architektonisches Gesamtbild infolge des Verkaufs einzelner Wohnungen sowie dadurch folgende Um- und Anbauten nicht mehr viel zu erkennen.
Abb. 3 Reihenhaus Andreasstraße 9-15 mit Veränderungen (2008)
Im Jahre 1925 erhielt die Mimas GmbH den Zuschlag von der Lonarit – Gesellschaft in Berlin-Schöneberg. An der Ecke Bahnhofstraße zum Seegaer Weg sollte eine Außenstelle des Werkes entstehen. Während das Eckgebäude als Wohnhaus projektiert war, sollten die Flachbauten die Büro- und Produktionsräume aufnehmen. An der Ecke zur Hälterstraße entstand nördlich des Flachbaues ein separater Bau für eine Mahlanlage. Da die Produktion in den Anfängen bereits wieder eingestellt wurde, erfolgte 1934 ein Umbau des Flachbaus zur Nutzung als Arbeitsdienstlager. /5/, /6/
Abb. 4 und 5 Flachbau mit anschließendem Wohnhaus am Seegaer Weg (2008)
In den Jahren 1926 – 27 realisierte die Mimas GmbH das Kindersanatorium am Weinberg. Auf einem künstlich geschaffenen, großzügigem Plateau wurde der in seinen Abmessungen gewaltige Bau des Kindersanatoriums gegründet. Unter Leitung des Leipziger Architekten Georg Wünschmann (1868 – 1937), der seit 10.01.1927 ein Büro in Frankenhausen angemeldet und geleitet hat, entstand ein neues Wahrzeichen unserer Stadt – das Hermann- Hedrich-Heim und spätere Helmut-Just-Heim. Ein einfacher, kompakter Bau, der aus Muschelkalksteinen und im Innenbereich auch mit Anhydrit - Feldsteinen gemauert wurde. Das Material wurde teils auf der schwer passierbaren, mit einem steilen Anstieg versehenen , ungepflasterten Straße zur Baustelle transportiert. Außerdem existierte auch eine Seilbahn von der nördlichen Grundstücksgrenze der Familie Wickler im Wüsten Kalktal bis zur Baustelle. Das Hauptgebäude erhielt 1935 den Anbau einer Schwimmhalle, die mit dem Bau einer Soleleitung aus dem Quellgrund noch komplettiert wurde.
Abb. 6 Hermann-Hedrich-Heim am Weinberg (1960)
Zum Bau eines Einfamilienhauses für den Knopffabrikanten Walter Wenke in der Kreuzgasse 8 erhielt die Mimas GmbH 1934 den Auftrag. Das Projekt lieferte Reinhard Erasmus (1876 – 1953), ein Architekt und ehemaliger Dozent am Technikum zu Frankenhausen. Der Baustil vereinigt die mittelalterliche Fachwerkbauweise mit der Backsteingotik in einfacher und schlichter Form. Anbauten, wie der Eingangsbereich dienen zugleich als Gestaltungselement. Weiterhin werden verbrannte, deformierte Klinker als Gestaltungselement eingesetzt. Die Bauform ist harmonisch, nicht monumental und überladen und dennoch abwechselungsreich und fast streng, unauffällig und schön. Die Abrundung erhält das Bauwerk durch eine abgestimmte Farbgebung sowie die Bauausführung durch die Fachleute der Mimas GmbH in hoher Qualität. Der gesamte Hausbau erfolgte vom 4.06.1934 – 15.07.1934, in 33 Arbeitstagen. /7/
Abb. 7 Wohnhaus Kreuzgasse 8 (2008)
Berets 1933 entstand der Fabrikneubau für Hermann Wenke im gleichen Stil des Wohnhauses durch die Mimas GmbH. Mit insgesamt 8 Wochen wird die Bauzeit für das fertige Gebäude angegeben. Nebengewerke, wie die Anfertigung von Türen durch die Firma Franz Sengelaub, die Schwerkraftheizung durch den Schlossermeister Otto Banse usw., sind von anderen Firmen ausgeführt worden.
Abb. 9 und 10 Knopffabrik-Neubau in der Andreasstraße 8 (2008)
In den Folgejahren verwirklichte die Mimas GmbH den Bau des Freibades auf dem ehemaligen Söldengelände der Pfännerschaft. Zur Schaffung der Baufreiheit musste im Frühjahr 1935 das Siedehaus „Schwan“ abgebrochen werden. Nach anfänglichen Gründungsproblemen wurden schließlich Pfeiler von 1,80m x 1,00m Querschnitt im Abstand von 1,90 m bzw. 2,90 m auf tragfähigem Baugrund betoniert und das eigentliche Wasserbecken darauf abgesetzt. Die Abnahme erfolgte am 15.06.1938. /8/ Es muss immer wieder hervorgehoben werden, dass es sich um ein aufgefülltes Terrain in unmittelbarer Nachbarschaft der geologischen Verwerfungslinie am Südhang des Kyffhäusers handelt.
Abb. 11 Blick auf das Sole-Freibad mit 10 m Sprungturm aus Stahlbeton (etwa 1960)
Neben den hier genannten und beschriebenen Bauten hat die Mimas GmbH noch weitere bekannte Gebäude errichtet (Seegelflugproduktionshalle in der Lindenstraße, Quinkes Villa in der Geschwister-Scholl-Straße, Hallen des Kyffhäuser-Technikums, Rekonstruktion der Saline „Hoffnung“ und Wohnhäuser am Weinberg sowie in der Altstadt) und auch Instandhaltungen kleineren und größeren Umfanges durchgeführt.
Mit dem Ausgang des zweiten Weltkrieges war das Ende der Mimas GmbH gekommen. Auch die Bauabteilung des Landgraf’schen Betriebes wurde aufgelöst. Nur der Stammbetrieb orientierte sich nach dem Krieg wieder an Mühlenausrüstungen und nahm 1946 bereits die Produktion auf. Später als VEB Fanal umbenannt, war der Betrieb unter Fachleuten bekannt und geschätzt.
An dieser Stelle sei den Herren Hans Wenke und Werner Schünzel nochmals Dank gesagt für die freundliche Unterstützung bei der Zusammenstellung der Informationen.
Eckhard Pförtner Juni 2008
Quellennachweis
/1/ Historische Beiträge zur Kyffhäuserlandschaft, Heft 7, Das Notgeld Frankenhäuser
Produktionsbetriebe, Hans Günther
/2/ Bauanträge, Stadtarchiv Bad Frankenhausen 1/VIII – 69, 1925
/3/ Bauanträge, Stadtarchiv Bad Frankenhausen 1/VIII – 64, 1922
/4/ Bauanträge, Stadtarchiv Bad Frankenhausen 1/VIII – 68, 1922
/5/ Bauanträge, Stadtarchiv Bad Frankenhausen 1/VIII – 65, 1925
/6/ Bauakten des Thüringischen Kreisamtes Sondershausen, 987 Band XVIII, 1934,
Thüringischen Staatsarchiv Gotha, April 2004
/7/ Bauakten des Thüringischen Kreisamtes Sondershausen, 987 Band XIX, 1934,
Thüringischen Staatsarchiv Gotha, April 2004
/8/ Bauakten des Thüringischen Kreisamtes Sondershausen, 987 Band XIV, 1938,
Thüringischen Staatsarchiv Gotha, April 2004
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