Kalkhütte
   
 
 
                                                                                                

 
 
KALKHÜTTE IM WÜSTEN KALKTAL

 

Vom Anger kommend passieren wir das frühere Angertor, gelangen auf die Nordhäuser Straße bis zu den Anlagen und biegen dann in Richtung Osten ab. Nach der Straßenabzweigung Goethestraße und der Abzweigung Thomas-Mann-Straße befinden wir uns am Eingang des Wüsten Kalktals. Über den geradezu geradlinigen Talweg Richtung Norden-Osten erreicht man innerhalb weniger Minuten den „Weißen Berg“, den Schlachtberg.  (Abb. 1) Die zugleich kürzeste Verbindung zwischen der Stadt und dem historischen Bauernschlachtgelände nutzten einstmals die Aufständischen als Fluchtweg in die mit schützenden Mauern umgebene Stadt.

   Abb. 1   Talweg im Wüsten Kalktal rot markiert /1/

Die steilen, weißen Hänge zu beiden Seiten des Tales hatten vor hundert Jahren nur einen äußerst spärlichen und niedrigen Bewuchs. Aus geologischer Sicht führt der ausgewaschene Weg durch den Anhydrit (CaSO4) oder auch älteren Gips mit darüber liegendem Stinkschiefer und darauf liegendem jüngeren Gips zur Nusswiese. Am Ausgang des Wüsten Kalktales befindet sich links der Aufschluß mit dem nahezu waagerecht abgelagerten Stinkschiefer.

Demzufolge haben wir es weder im Wüsten Kalktal noch in der näheren Umgebung des Südhanges mit Kalk (CaCO3) zu tun.

Zum besseren Verständnis der Flurbezeichnung muß man wissen, daß gebrannter, abbindefähiger  Gips (CaSO4 . ½ H2O) Mitte des 19. Jahrhunderts als Sparkalk bezeichnet wurde. /2/  Da der verwitterte, weiße Gips beim Betreten des Tales sofort sichtbar wird, ist die Ortsbezeichnung Kalktal durchaus verständlich.

Der wasserfreie Anhydrit kann in geologischen Zeiträumen oberflächlich, begünstigt durch die Karstbildung, Wasser aufnehmen und sich zu wasserhaltigem Gips umwandeln. Durch Erhitzen des Gesteins auf  90 – 120 °C (Kalk wird bei 1000 °C gebrannt) entweicht ein Teil des Wassers. Nach dem darauf folgenden Mahlprozeß entsteht ein abbindefähiges und technisch brauchbares Bindemittel. Unter Zusatz von Anmachwasser kann der Gips verarbeitet werden und bindet nach kurzer Zeit ab.

Eine solche Sparkalkherstellung ist uns als herrschaftliche Kalkhütte aus dem Jahre 1826 bekannt, die sich am Rande der Anlagen befunden hat. Im genannten Jahr wurde die Kalkhütte vom Fürstlichem Schwarzburgischem Forst-Department zur 3 – 6 jährigen Verpachtung angeboten. /3/ Es liegt nahe, daß der Bruch sich im Bereich des heutigen Spielplatzes und somit der früheren Freilichtbühne erstreckt haben muß. /4/ Die Unruhe in den Anlagen sowie die Gefahr beim Sprengen des Gesteins, führten zur Verlegung der Kalkhütte ins Wüste Kalktal, östlich des Weges.

Links, dh. westlich des Weges befand sich zu dieser Zeit noch der Rennau’sche Erdfall, mit dem letzten Nachbruch im Jahre 1890, der nach dem damaligen Besitzer des Grundstückes benannt wurde. Die Verfüllung des Erdfalls erfolgte noch um 1950.

Die gegenüberliegende Kalkhütte war Eigentum von Carl Schmidt, der seinen Wohnsitz in der Minna-Hankel-Straße 1 hatte. /5/ Der Brennofen wurde nach Unterlagen aus dem Jahre 1870 separat hinter der Kalkhütte betrieben. /6/  Ein weiterer Brennofen befand sich in der Hütte neben der Mahlanlage. (Abb. 2) Das Rohmaterial wurde aus dem Steinbruch hinter der Kalkmühle entnommen. Das feuchtigkeitsempfindliche Fertigprodukt konnte nur in Fässern verpackt und mittels Pferdegespann zur Baustelle oder zum Maurermeister transportiert werden.

   Abb. 2 

Grundstück des C. Schmidt am Eingang zum Wüsten Kalktal  1870 (1 alter Brennofen, 2 Fertiglager, 3 Mahlanlage, 4 Brennofen,    5  Eingangsbereich, 6 Feuerungsraum, 7 Trockenschuppen)

Während über den Bau der alten Brennöfen keine Unterlagen vorliegen, sind als Relikt der Mahlanlage noch die Mahlsteine aus rotem Sandstein mit einem Durchmesser von 120 cm und einer Höhe von 35 cm auf dem Grundstück vorhanden.  (Abb. 3)

   Abb. 3   Einer der Sandsteine aus der  Mahlanlage 2005

 

1879 lässt der Sparkalkfabrikant C. Schmidt einen Ziegelbrennofen errichten, der in den Folgejahren auch noch eine Vergrößerung auf etwa 8,20 x 2,20 m² erfuhr. /7/ Der gleichzeitig errichtete Trockenschuppen, lässt auf die Herstellung von gebrannten Mauersteinen schließen. Das Rohmaterial konnte nur aus Tonlagern der Umgebung herantransportiert werden. Etwa 5 Jahre früher lässt auch der Frankenhäuser Ziegelfabrikant Rehberg einen Brennofen gleicher Bauart in der Lindenstraße errichten.

1892 wurde die Kalkhütte nochmals umgebaut bzw. neu errichtet. /8/ Die Aufteilung der Räume erlaubt die Schlussfolgerung, dass im Ziegelofen auch Gipsgestein gebrannt wurde. In der Kalkhütte war lediglich die Mahlanlage und das Lager für das Fertigprodukt zusammengefasst. (Abb. 4) Die Produktion war einfach und mit viel Handarbeit verbunden. Aus der heutigen Sicht muss die Qualität des aus Anhydrit  hergestellten Gipses angezweifelt werden. Mit der technischen Revolution um die Jahrhundertwende waren die vorhandenen Maschinen und somit die Technologie veraltet.

   Abb. 4 

Grundstück des C. Schmidt am Eingang zum Wüsten Kalktal  1892 (1 Ziegelbrennofen, 2 Fertiglager, 3 Mahlanlage, 4 Zeugremise, 5  Einfahrtsbereich,               6 projektiertes und nicht errichtetes Wohnhaus, 7 Trockenschuppen)

Die Heizmaterialprobleme, die Sperrung des Abbaugebietes und der technische Stand der Produktion führten schließlich 1907 zum Verkauf des Grundstückes an den Leipziger Bildhauer Prof. Paul Sturm. Zu den Schmidt’schen Liegenschaften gehörte auch die Schankstätte Schmidt’s Höhe am westlichen Hang des Wüsten Kalktales, die ebenfalls von Prof. Sturm erworben wurde.

Die alte Kalkhütte blieb in seinem Grundriß erhalten und wurde als Atelier und Ausstellungsraum umgestaltet. /9/ Im Sommer verbrachten Großstadtkinder hier angenehme und schöne Stunden.

Das bereits in der Projektierung befindliche Wohnhaus kam nicht zur Ausführung. Als Wohnsitz diente Sturm die zum Landhaus ausgebaute und idyllisch gelegene Schankstätte am Westhang des Wüsten Kalktales. (Abb. 5)

   Abb. 5   ehemaliges Landhaus am Westhang des Tales  

Schließlich kam es 1938 zum Verkauf des Anwesens an den Elektromeister Heinrich Horlemus, der seine Werkstatt in der Klosterstraße an der Engstelle vor der Einmündung zum Anger unterhielt. Im gleichen Jahr übernahm die Mimas GmbH den Auftrag zur Errichtung einer Garage mit Aufenthaltsraum auf der Süd-West-Ecke des Grundstückes im Wüsten Kalktal. In den Folgejahren entstand  durch die Initiative von H. Horlemus die Benzinzapfsäule oberhalb des Garagenhofes.

Nach Beendigung des zweiten Weltkrieges kam es zur Demontage der Zapfsäule. Erst in den folgenden Jahrzehnten konnten bis heute weitere Veränderungen an der Bausubstanz vorgenommen und der ehemalige Bruch in die Gestaltung des Gartengrundstückes mit einbezogen werden. Das Grundstück blieb infolge der Erbfolge im Besitz der Familie. Heute ist die ehemalige Kalkhütte ein Blickfang für Besucher des Wüsten Kalktales und passt sich harmonisch in das Gesamtbild ein. (Abb. 6)

   Abb. 6   Grundstücksansicht 2006

 

Eckhard Pförtner                                                                                      April 2006

Quellennachweis

/1/   Geologische Karte, Blattnummer 4632, 1925

/2/   Meyers Konversationslexikon, Band 7, p. 355 - 56

/3/   Stadtarchiv Bad Frankenhausen, G/III – 303, Nachrichtenblatt für die Vereinigung 

       ehemaliger Schüler des Realgymnasiums zu Solbad  Frankenhausen, 1929, Nr. 35 p. 5

/4/   Stadtarchiv Bad Frankenhausen, G/III – 303, Nachrichtenblatt für die Vereinigung 

       ehemaliger Schüler des Realgymnasiums zu Solbad  Frankenhausen, 1929, Nr. 37 p. 2

/5/   Stadtarchiv Bad Frankenhausen, G/III – 303, Nachrichtenblatt für die Vereinigung 

       ehemaliger Schüler des Realgymnasiums zu Solbad  Frankenhausen, 1922, Nr. 8 p. 43-44

/6/   Stadtarchiv Bad Frankenhausen, Bauakten des Fürstlich Schwarzburgischen

       Landratsamtes Frankenhausen 1/ VIII – 18, 1870

/7/   Stadtarchiv Bad Frankenhausen, Bauakten des Fürstlich Schwarzburgischen

       Landratsamtes Frankenhausen 1/ VIII – 19, 1879

/8/   Stadtarchiv Bad Frankenhausen, Bauakten des Fürstlich Schwarzburgischen

       Landratsamtes Frankenhausen 1/ VIII – 31, 1892

/9/   Stadtarchiv Bad Frankenhausen, Bauakten des Fürstlich Schwarzburgischen

       Landratsamtes Frankenhausen 1/ VIII – 49, 1907